Unser Know-how für die Pandemiebekämpfung

Medizintechnik und Life Sciences vs. Corona

© Fraunhofer IFAM
Paketschleuse: Kombination von UV-Strahlen und Wärme desinfiziert Oberflächen.
© Fraunhofer IFAM
Probenaufbereitung zur Bewertung von antiviralen Oberflächen.
© Fraunhofer IMW/Stefanie Irrler
Mobile Desinfektionsroboter für den Einsatz in öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. Gebäuden.

Die Fraunhofer-Gesellschaft begegnet den Herausforderungen der Pandemie mit einem nachhaltigen Innovationsprogramm. Mit sogenannten Anti-Corona-Projekten aus dem Medizin- und Gesundheitssektor werden Entwicklungen gefördert, die zur Überwindung der medizinischen Krise beitragen können. Das Fraunhofer IFAM erforscht innerhalb dieser Initiative antivirale Beschichtungen sowie desinfizierende oder sterilisierende Behandlungsverfahren für Raumluft. Die Überlebenszeit von Viren wird mittels modernster Analytik bewertet. Zudem werden Konzepte zur Reinigung und Desinfektion im öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) und in öffentlichen Gebäuden mithilfe von Servicerobotern sowie zur mobilen und dezentral medizinischen Versorgung der Bevölkerung erarbeitet und aufgebaut.

 

Antimikrobielle Oberflächenbehandlungen

 

Photokatalytische Dekontamination 

Auch wenn das Coronavirus vor allem über Tröpfchen und Aerosole übertragen wird, bilden kontaminierte Oberflächen ein weiteres Risiko einer Übertragung. Photokatalytisch aktive Beschichtungen mit Titandioxid können helfen, Keime auf Oberflächen zu zerstören. Um die Effizienz dieser durch Licht getriebenen chemischen Reaktion zu erhöhen, wurde eine Kombination von Schichtsilikaten und Kupfer-dotierten Titandioxid-Photokatalysatoren untersucht. Die Ergebnisse ergaben, dass durch diese Materialkombination ein synergistischer Effekt entsteht und die abzubauenden Substanzen effektiver mit den Katalysatoren in Kontakt gebracht und somit schneller zersetzt werden können. In den Arbeiten konnte gezeigt werden, dass diese Photokatalysatoren Bakterien aktiv abbauen. Im Projekt »COVID-DEKONT« wird die Wirkung dieses patentierten Materialansatzes auf Viren untersucht, um daraus spezifische Materialoptimierungen abzuleiten und diese in ein breit anzuwendendes Beschichtungssystem zu überführen.

 

Doppelangriffsstrategie auf das Innere der Coronaviren

Ein weiterer Forschungsansatz zur Bekämpfung der Pandemie wird in dem Projekt »Paketschleuse« untersucht. Hierbei werden mithilfe einer Kombination von UV-Strahlen und Wärme Oberflächen von Waren desinfiziert. Verfolgt wird eine Doppelstrategie, indem simultan die schützende Lipidmembran der Coronaviren durch Hitze attackiert wird und die Nukleinsäuren im Kapsid durch UV-Bestrahlung verändert werden. Mittels Raytracing kann eine UV-Strahler-Konfiguration identifiziert werden, die es erlaubt, kleinere Pakete allseitig unter 10 Sekunden so zu bestrahlen, dass eine Reduktion der Virenlast um > 99,9 Prozent möglich ist.

 

Mobile Roboter zur Bekämpfung von Viren und Bakterien

Mobile Serviceroboter zur gezielten Bekämpfung von Viren und Bakterien sollen öffentliche Verkehrsmittel sowie Gebäude mit gleichbleibend hoher Qualität reinigen und desinfizieren. Durch wechselbare Werkzeuge können sie Oberflächen wischen, besprühen und mit UV bzw. Plasma behandeln. Seit Oktober 2020 arbeiten zwölf Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft an der Entwicklung neuer Technologien für diese Einsatzfelder im Forschungsprojekt »Mobile Desinfektion« – kurz »MobDi«. Die Hard- und Softwareentwicklung des Reinigungs- und Desinfektionsroboters für den Einsatz in öffentlichen Verkehrsmitteln ist Aufgabe der Expertinnen und Experten für Automatisierung und Produktionstechnik des Fraunhofer IFAM. Im Mittelpunkt stehen die Konstruktion einer modularen Antriebsunterstützung zur Überwindung von Spalten und Absätzen sowie die Entwicklung eines Reinigungsendeffektors. Für die Projektvalidierung bringen die Forscherinnen und Forscher für Lacktechnik sowie Klebstoffe und Polymerchemie ihre Expertise bei der Entwicklung der Desinfektionsmethoden durch die Untersuchung sowie Bewertung der Bakterien- bzw. Virenlast auf den unbehandelten und behandelten Oberflächen ein und ermöglichen so den Nachweis über den Desinfektionserfolg.

 

Inaktivierung der Viren in der Raumluft

Das Projekt »AVATOR« untersucht neben Reinigungstechnologien für die Raumluft auch die Ausbreitung von Aerosolen und leitet Hygienekonzepte für unterschiedliche Anwendungsfälle ab. Das Teilprojekt »Virus-Grill« hat das Ziel, die Virenaktivität in der Luft in geschlossenen Räumen durch eine neuartige Apparatur zu reduzieren. Die Temperatursensitivität von Viren ist dabei der Schlüssel: Durch Erwärmung und Halten bei Inaktivierungstemperatur werden aktive Hüllenkomponenten der Viren zerstört und die Viren inaktiviert. Mit der zu entwickelnden Apparatur wird virenbelastete Luft angesaugt und konditioniert. Vor der Rückführung der inaktivierten Luftmenge in den Raum wird diese auf nahezu Raumtemperatur rückgekühlt. Die Innovation: Die rückgewonnene Wärme wird systemintern zur Erwärmung der angesaugten Luft verwendet. Dadurch wird eine sehr energieeffiziente Luftdesinfizierung ermöglicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IFAM in Dresden bearbeiten Aufbau und thermodynamische Aspekte, während am Standort Bremen die Steuerung der Apparatur entwickelt wird. Validierungsversuche finden in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IGB und IBP statt.

 

Prüfung der antiviralen Wirksamkeit von Oberflächen

 

Quantifizierung der Viruslast mittels Real-Time-PCR-Test

Um die funktionalisierten Oberflächen und Behandlungsverfahren auf ihre Wirksamkeit und den Einfluss auf die Überlebenszeit von Viren zu testen, hat das Fraunhofer IFAM in Bremen ein biologisches Labor der Sicherheitsstufe 2 um eine wesentliche Methode erweitert: die Untersuchung und Quantifizierung von Viruslast und Virulenz. Mithilfe klassischer mikrobiologischer Tests und hochmoderner molekularbiologischer Analytik ist es nun möglich, die Überlebensfähigkeit von Viren auf unterschiedlichen Materialien zu bestimmen – ein unerlässliches Instrument für die Entwicklung neuartiger antimikrobieller Oberflächen. Eingesetzt werden dabei Modellviren, welche aufgrund ihrer Struktur, Umweltstabilität und Desinfizierbarkeit vergleichbar mit gängigen Krankheitserregern (z. B. SARS-CoV-2), aber nicht humanpathogen sind. Zur Analytik setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Real-Time-PCR (qPCR) ein. Dabei handelt es sich um eine Vervielfältigungsmethode für Nukleinsäuren, die auf dem Prinzip der herkömmlichen PolymeraseKettenreaktion (PCR) beruht und zusätzlich eine EchtzeitQuantifizierung der gewonnenen Nukleinsäuren ermöglicht. Auf diese Weise steht nun eine sichere, sehr empfindliche und hochreproduzierbare Methodik zur Verfügung und leistet damit wichtige Unterstützung bei der zielgerichteten Entwicklung antiviraler Oberflächen und innovativer Desinfektionsmethoden.

 

Mobile, dezentrale medizinische Versorgung

 

Medizinische Versorgung bei Krisen und Katastrophen

In medizinischen Krisen können flexibel einsetzbare Systeme für die medizinische Versorgung der Bevölkerung eine Ergänzung der bestehenden Gesundheitsinfrastruktur sein. Unter der Federführung des Fraunhofer IFF haben sich sechs Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen, um im Projekt »Demo-medVer« ein integriertes System einer mobilen, dezentralen medizinischen Versorgung zu entwickeln. Das Besondere: Sämtliche Komponenten des Gesamtsystems sind modular aufgebaut, eng miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig. Dabei sollen alle Module standardisierbar und individuell an verschiedene Anforderungen anpassbar sein, um das System flexibel einsetzbar und schnell auf- und abbaubar zu machen. In dem Teilvorhaben »FAMOS« entwickelt das Fraunhofer IFAM einen Prototyp zur batteriebetriebenen Sterilisation zum Einsatz in der humanitären Hilfe. Flexible und netzunabhängige Sterilisatoren und Autoklaven sollen zu einem weitergehenden viralen oder auch bakteriellen Schutz für Menschen führen. Ziel des zweiten Teilprojekts »O2GEN« des Institutsteils in Dresden ist der Aufbau und die Erprobung eines neuartigen, prototypischen Geräts zur Erzeugung und gesteuerten Abgabe von reinem Sauerstoff (> 95 Volumenprozent). Das Gerät kann reinen Sauerstoff mit bis zu 100 Prozent relativer Feuchte an einen Verbraucher, wie beispielsweise ein Beatmungsgerät, abgeben. Der Sauerstoff wird mittels Wasserelektrolyse erzeugt, die das Edukt-Wasser aus einem Vorratsbehälter bezieht, der zudem einen Anschluss an eine externe Wasserquelle besitzt. Der durch die Wasserelektrolyse parallel entstehende Wasserstoff wird unmittelbar über eine Brennstoffzelleneinheit unter Nutzung von Luftsauerstoff (21 Volumenprozent O2) aus der Umgebung in Wasser zurückverwandelt. Dieses kann wiederum zur Elektrolyse verwendet werden, indem über einen Wasserbehälter und ein Leitungssystem ein Wasserausgleich erfolgt. Über den zusätzlichen Anschluss an eine äußere Stromquelle, z. B. netzüblicher Wechselstrom, ist immer genügend elektrische Energie zum Betrieb des Sauerstoffgenerators sichergestellt.