Was moderne Autos und historische Skulpturen gemeinsam haben

Bremen /

© FH Potsdam
Vollplastische Dekorations-Figur des Prunksarges Herzog Heinrichs von Sachsen-Merseburg (1661-1738)
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Blick ins Innere der Plastik aus 2 mm dickem Zinn. Während die Hauptlast von einer Stützkonstruktion aus Edelstahl aufgenommen wird, erfolgt die flächige Sicherung/Stabilisierung durch Stützschalen aus Aluminium-Epoxid-Hybridschaum

Bei der Entwicklung neuer Werkstoffe denkt nicht nur der Laie in erster Linie an Anwendungen in Bereichen wie Automobil-, Maschinen- oder Flugzeugbau. Auch die beteiligten Naturwissenschaftler und Ingenieure orientieren sich natürlich häufig an den Bedürfnissen und Anforderungen dieser Hightech-Branchen. Dabei wird leicht übersehen, dass moderne Werkstoffe mit ihren verbesserten Eigenschaften und erweiterten Einsatzmöglichkeiten auch in anderen, eher randständigen Bereichen interessante Anwendungen finden können.

Ein interessantes Beispiel für solche eher ungewöhnlichen Anwendungen moderner Leichtbauwerkstoffe lässt sich jetzt in der Merseburger Fürstengruft finden. Viele der dort aufgestellten Prunksärge aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind mit aufwändigen vollplastischen Dekorationen aus Zinnlegierung versehen, welche aufgrund einer feucht gewordenen Füllmasse mit der Zeit erhebliche Korrosionsschädigungen erlitten haben. Die Einbringung einer innen liegenden, stabilisierenden Rahmenkonstruktion war somit unumgänglich. Bei der Restaurierung waren die beteiligten Fachleute um Prof. Freitag von der FH Potsdam allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass die sonst üblichen Materialien für die inneren Stützschalen – faserbewehrte Laminate – in diesem Fall nicht einsetzbar waren. Aufgrund deren geringen Viskosität bestand bei der Verarbeitung die Gefahr der Kontamination der äußeren Oberfläche der Plastik.

Zur Lösung dieses Falls wurden Epoxidschäume untersucht, wie sie seit einiger Zeit für die Strukturverstärkung im Automobil- und Flugzeugbau eingesetzt werden. Diese sind hochviskos und bieten bei geringem spezifischem Gewicht eine hohe Festigkeit. Allerdings treten auch hier Nachteile auf. So können aufgrund der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Epoxid und Zinn Spannungen zwischen der Plastik und den Stützschalen auftreten. Des Weiteren wird bei der Aushärtung des Epoxidschaums Wärme frei, die die Skulptur lokal schädigen kann. Abhilfe bot hier ein weiterer Leichtbauwerkstoff, Aluminiumschaum, der in Form feinen Granulats in den Epoxidschaum eingemischt wurde. Das Aluminiumschaum-Granulat zeigt ebenfalls ein geringes spezifisches Gewicht und eine hohe Festigkeit, senkt aber darüber hinaus den thermischen Ausdehnungskoeffizient und führt zu einer Reduzierung und besseren Abführung der bei der Polymeraushärtung auftretenden Wärme.

In Kooperation mit den beiden Fraunhofer Instituten ISC, Außenstelle Bronnbach und IFAM, Bremen, wurde der Hybridschaum aus Epoxid und Aluminium in Laborversuchen auf seine Verträglichkeit mit historischen Zinnlegierungen geprüft. Anschließend konnte die stark korrosionsgeschädigte Figur des Prunksarges Herzog Heinrichs von Sachsen-Merseburg mit Hilfe des neuen Materials schonend und ohne Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes durch die Restauratoren stabilisiert und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Die historische Figur des Herzogs Heinrich und moderne Flugzeuge und Autos haben also nicht nur neue Werkstoffe gemein, sondern auch die Tatsache, dass diese Stoffe ihren Dienst still und meist unbemerkt vom Betrachter leisten.

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