Mikrobiologische Prüfung für antimikrobielle Oberflächen

Plaque- und Proliferations-Assays für die Wirksamkeitsprüfung antibakterieller und antiviraler Oberflächen und Beschichtungen

Multiresistente Keime stellen seit Jahren ein ernsthaftes Problem im Gesundheitswesen dar. Covid-19, eine durch SARS-CoV2 ausgelöste Infektionskrankheit, machte die Begriffe Hygiene und Desinfektion zu einem weltumspannenden Alltagsthema. Folglich stieg der Bedarf an antimikrobiellen Technologien (antimikrobielle Beschichtungen, UV-Desinfektion) in vielen unternehmerischen Sektoren, sei es im Gesundheitswesen, in der Autoindustrie, im Baugewerbe oder im öffentlichen Personenverkehr. Dieses breite Anwendungsspektrum birgt unterschiedliche technologische Herausforderungen. Das Fraunhofer IFAM prüft daher nach kundenspezifischen Anforderungen die antimikrobielle Wirksamkeit gegenüber modellhaften Viren, Bakterien und Pilzen.

 

Plaque und Proliferations-Tests als Prüfmethoden

Im mikrobiologischen Analytiklabor des Fraunhofer IFAM arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eng vernetzt an der Durchführung und Weiterentwicklung von Testmethoden zum Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit. Sie untersuchen und bewerten im Rahmen von Forschungsprojekten und Industrieaufträgen Produktoberflächen und Materialien hinsichtlich der antibakteriellen und antiviralen Wirksamkeit. Das übergeordnete Ziel des Teams ist dabei eine produktorientierte Bewertung abzugeben, die ein Beleg für die Wirksamkeit darstellt oder zu einer Optimierung und Weiterentwicklung führen kann. Maß für die Wirksamkeit eines Wirkstoffes oder einer Desinfektionsmethode ist die Reduktion von Keimen innerhalb einer festgelegten Expositionsdauer. Je nach Material, Anwendungsbereich und Prüfvorschrift unterscheiden sich die Anforderungsprofile. Allen gemein ist jedoch, dass die Reduktion in log-Stufen ausgewiesen wird und jeweils eine Verringerung der Keimzahl um eine Zehnerpotenz darstellt. Eine 99,9% Reduzierung (3 Log10-Stufen) findet sich beispielsweise bei vielen Hygieneprodukten.

Zur Durchführung stehen in den Laboren des Fraunhofer IFAM moderne Prüf- und Analysemethoden zur Verfügung, die das gesamte Entwicklungsspektrum eines Produkts begleitend unterstützen oder final validieren können. Zu den etablierten Verfahren zählen der Plaque-Assay zur Quantifizierung von infektiösen, cytopathischen Viren (z.B. mit Escherichia-Virus Qbeta), der auf der sichtbaren Veränderung der infizierten Zellen beruht. Eine vergleichbare Wirksamkeitsprüfung gegenüber Bakterien (z.B. Escherichia coli, Bacillus subtilis) lässt sich mit einem Proliferationstest realisieren. Mit diesem Testverfahren wird ermittelt, ob und wie stark die Vermehrung der Bakterien in Abhängigkeit vom eingesetzten Wirkstoff im Vergleich zu einer Kontrollprobe gehemmt wird. Die Möglichkeit spezifische Versuchsbedingungen wie zum Beispiel Beleuchtungsszenarien (z.B. UV-, Tageslicht-LED) zu realisieren und diese in die Testung einzugliedern, rundet die Expertise des Fraunhofer IFAM ab.

 

Biologische Testverfahren für Entwicklung von antibakteriellen und antiviralen Materialien

Die Expertinnen und Experten am Fraunhofer IFAM entwickeln Produktideen, Prototypen oder auch bestehende Produkte gemeinsam mit Kunden weiter und setzen gezielt mikrobiologische Testverfahren ein um diese hinsichtlich der antimikrobiellen Wirkung zu optimieren. Wie wirksam sich eine Desinfektionsmaßnahme auf die Überlebensfähigkeit von pathogenen Mikroorganismen erweist, ist von mehreren Faktoren abhängig. Zunächst ist hier der eigentliche Wirkmechanismus zu berücksichtigen, denn dieser kann zum Beispiel durch physikalische oder chemische Einflussnahme hervorgerufen werden. Auch wechselwirkende Wirkmechanismen sind möglich, z. B. Licht einer bestimmten Wellenlänge in Verbindung mit speziellen Beschichtungsbestandteilen.

Darüber hinaus spielen die spezifischen Materialeigenschaften eine Rolle, die eng mit der Durchführbarkeit biologischer Testmethoden verknüpft sind. Besteht eine Empfindlichkeit gegenüber Lösemitteln, bindet der Werkstoff Feuchtigkeit, braucht es eine physikalische Aktivierung, besitzt das Material ohne spezifischen Wirkstoff bereits einen antimikrobiellen Effekt z. B. durch Bindemittel oder Additive in Beschichtungen? Fragen, die sich mit jedem neuen Material und Verfahren ergeben.

Auch auf den biologischen Parametern liegt ein Augenmerk. Vor allem die Schaffung einer standardisierten, kontaminationsfreien Prüfumgebung und die Auswahl von geeigneten Testorganismen (Viren, Bakterien, Pilze) ist hier von entscheidender Relevanz. Materialkompetenz und mikrobiologisches Know-how sind demnach gleichsam entscheidend um durch zielorientierte Prüfverfahren gezielte Entwicklungsarbeit leisten zu können. Fragen nach der minimalen Wirkstoffkonzentration, nach der Keimreduktion in Abhängigkeit von der Kontaktzeit und dem Wirkpotenzial auf unterschiedliche Modellorganismen und lassen sich am Fraunhofer IFAM über moderne Laborprüfungen beantworten. 

Innerhalb des Kompetenzbereiches der »Lacktechnik« verfolgt die Gruppe »Antimikrobielle Beschichtungen und Bewuchsschutz« von Dr. Dorothea Stübing seit mehreren Jahren die Entwicklung und Prüfung antimikrobieller Oberflächen. Dafür verfügt das Team nicht nur über ein interdisziplinäres Fachwissen aus Material- und Naturwissenschaften, sondern nutzt auch ein breites Versuchs- und Methodenspektrum. Dieses Spektrum schließt modernste Real-Time-PCR bzw. quantitative PCR (qPCR) Diagnostik im mikrobiologischen Labor des Fraunhofer IFAM Bremen ein. Die Anwendungsfelder für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Gruppe liegen beispielsweise in den maritimen Technologien, der Medizintechnik, der Luftfahrt oder dem Automobilbau.