Plasmabeschichtung für die rückstandsfreie Entformung von Kunststoffbauteilen

Permanente Trennschichten ermöglichen eine energieeffiziente und materialsparende Fertigung im Leichtbau

Bei der Produktion von Kunststoffteilen aus reaktiven Harzen wie Epoxiden oder Polyurethanen kommen zur Entformung, unabhängig vom jeweiligen Fertigungsverfahren, in aller Regel konventionelle Trennmittelsysteme zum Einsatz. Diese kontaminieren sowohl die Bauteiloberflächen als auch die Werkzeugformen (Formaufbau). Zudem sind oft umweltbelastende Lösungsmittel und weitere Hilfsmittel enthalten. Auch die Mitarbeiter und das betriebliche Umfeld werden durch feinste, langlebige Aerosole belastet. Der Formaufbau und ggf. die trennmittelkontaminierten Bauteile müssen in nachfolgenden Schritten gereinigt werden – mit negativen Folgen für die Produktivität, den Energieverbrauch und die Umwelt. Das Fraunhofer IFAM hat eine ReleasePLAS®-Trennschicht für Formwerkzeuge entwickelt, die den Einsatz dieser klassischen Trennmittel­systeme und der damit verbundenen Nachteile gänzlich vermeidet. 

 

Verzicht auf Trennmittel durch plasmapolymere Beschichtung

Bauteile aus Kunststoff kommen täglich millionenfach in den unterschiedlichsten Branchen wie dem Fahrzeug-, Maschinen- und Anlagenbau zum Einsatz. Die Kunststoffteile werden in einer Werkzeugform hergestellt, wobei das Aufbringen von Trennmitteln ein Verkleben des Bauteils mit der Form verhindert. Meist bleiben dabei jedoch sowohl auf der Bauteil- als auch auf der Werkzeugoberfläche Trennmittelreste zurück, die vor der weiteren Bearbeitung entfernt werden müssen. Die Reinigung ist zeit- und kostspielig und führt zudem zu einem Verschleiß der Werkzeuge. Bestimmte Oberflächen mit matter oder definierter Struktur sind wirtschaftlich oft gar nicht zugänglich, da die Frequenz der Formreinigungen zu hoch ist. Außerdem beinhalten konventionelle Trennmittel oftmals schädliche Stoffe für die Umwelt und die Gesundheit. Der Ruf nach einer trennmittelfreien Fertigung wird daher in der Kunststoffverarbeitenden Industrie immer lauter.

Abhilfe kann hier das ReleasePLAS®-Trennschichtsystem schaffen. Dieses ist in verschiedensten Bereichen einsetzbar, da die Eigenschaften der einzelnen Schichten den spezifischen Anforderungen der unterschiedlichen Kunststoffarten, Verarbeitungsmethoden und Bauteilgeometrien angepasst werden können. Es ist jedoch zu beachten, dass mit diesem Schritt ein kohäsiver Trennvorgang in einen adhäsiven Vorgang überführt wird. Daher ist im Einzelfall mit spezifischen Anpassungen, z.B. im Bereich der Materialien, der Verarbeitungsparameter oder auch des Trennvorganges zu rechnen. Aussagen zur Standzeit der Beschichtung sind pauschal nicht möglich. Im Wachsspritzguss kann aber beispielsweise problemlos mit deutlich über 100.000 Entformungen gerechnet werden.

 

Dünnschichten für die perfekte Abbildung von Oberflächenstrukturen von Werkzeugen

ReleasePLAS®-Trennschichten sind amorphe, plasmapolymere Schichtsysteme, die so ausgelegt sind, dass sie besonders gut auf der Werkzeugoberfläche haften und trotzdem durch ihre chemisch inerte Oberfläche den Trennvorgang immer wieder ermöglichen. Die Trennkräfte können im Einzelfall sogar die von konventionellen Trennmitteln unterschreiten. Es handelt sich um hoch vernetzte siliziumorganische Systeme (E-Modul zwischen typ. 1,5 – 10 GPa), die sich beim Trennvorgang nicht verbrauchen. Entsprechend wird das hergestellte Bauteil in keiner Weise kontaminiert. Auch die Integrität der Werkzeugoberfläche bleibt erhalten.

Die Dünnschichten (typ. 0,1 – 4 µm) sind in der Lage, Werkzeugoberflächen perfekt abzubilden. Damit eröffnet sich die Möglichkeit meso- und mikrostrukturierte Oberflächen, wie z.B. Narbungen, Kinegramme oder bionische Oberflächenstrukturen, aber auch Hochglanzoberflächen kostengünstig zu fertigen.

Einzigartig ist der Einsatz der Beschichtung auf (oberflächenstrukturierten) Auftragswalzen oder Sleeves, um beispielsweise Lacke oder Druckfarben zu applizieren. Dabei ist es bei Bedarf möglich, die Benetzungseigenschaften an die Erfordernisse anzupassen. Walzen bis 1,65 m Länge können aufgenommen werden.

 

Eine Beschichtung für unterschiedlichste Kunststoffarten, Verarbeitungsmethoden und Bauteilgeometrien:

Beim Einsatz der ReleasePLAS®-Technologie werden die Werkzeugoberflächen direkt mit der Beschichtung versehen. Das Verfahren lässt sich somit problemlos auf individuelle Anforderungen, beispielsweise die Art des Kunststoffes oder die Bauteilgeometrie, anpassen. Die Beschichtung ist nicht nur für reaktive Kunststoffe, wie z.B. Polyurethane oder Epoxide, sondern auch für Thermoplaste, Elastomere, Lacke, Klebstoffe und Leime einsetzbar. Hervorragend bewährt hat sich die Trennschicht auch im Bereich des Wachsspritzgusses für den Feinguss.

Konkrete Anwendungsbeispiele sind:

  • Polyurethan-/PUR-Verarbeitung – RIM (Reaction injection moulding), IMC (In-Mould-Coating), Spritzguss
  • RTM (Resin Transfer Molding), Prepreg-Technologie, Infusionsverfahren
  • Kalt- und Heißleimverarbeitung
  • Wachsspritzguss
  • Auftragswerke für Lacke und Farben
  • Polyvinylchlorid-/PVC-Slushverfahren
  • Organoblechumformung
  • Thermoplastspritzguss
  • Thermoplastische Polyurethane-/TPU-Spritzguss
  • Rotationsformen

 

Von der Verkürzung der Taktzeiten bis zur Reduktion der VOC-Emissionen: Die Vorteile der ReleasePLAS®-Beschichtung auf einen Blick: 

  • Verkürzung der Taktzeit; Erhöhung der Produktivität
  • Formenzwischenreinigungen entfallen
  • Längere Formenstandzeiten
  • Saubere Bauteiloberflächen, so dass eine direkte Weiterverarbeitung möglich ist
  • Gleichmäßige und verbesserte Oberflächenqualität auch bei anspruchsvollen Oberflächen
  • Reduktion der VOC-Emissionen (Volatile Organic Compounds) aus Trennmitteln und Formenreiniger
  • Keine Belastung der Mitarbeiter durch Aerosole
  • Keine Verschmutzung im Umfeld des Produktionsbereichs 

 

Überblick über neue Projektergebnisse: Trennmittelfreie Entformung mit permanenten Trennschichten 

Als Alternative zu herkömmlichen Entformungstechnologien zeigen das Fraunhofer IFAM und das IKV - Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen, dass eine zerstörungsfreie und problemlose Teileentnahme bei der Polyurethan-Verarbeitung ohne zusätzliche Auftrags- oder Reinigungsintervalle realisiert werden kann. Lesen Sie dazu den Artikel im PU Magazine International (Ausgabe 06/2020), an dem Dr. Klaus Vissing, Gruppenleiter Niederdruckplasmatechnik am Fraunhofer IFAM, mitgewirkt hat.

Hier können Sie den Artikel als PDF herunterladen: Dry demoulding – practical demonstration of a mould coating with long service life

(Quelle: PU Magazine International 06/2020, Dr. Gupta Verlags GmbH)

 

Dr. Klaus Vissing leitet die Arbeitsgruppe »Niederdruckplasmatechnik« in der Abteilung »Plasmatechnik und Oberflächen«. Gemeinsam mit seinem Team forscht er seit einigen Jahren nicht nur nach Möglichkeiten, Trennmittel dauerhaft zu vermeiden, sondern auch plasmagestützte Funktionsprozesse sicher und kostengünstig bereit zu stellen. Die dafür entwickelten, umweltfreundlichen Plasmabeschichtungen kommen u.a. in der Halbleiterbranche, bei Lackier- und Filterprozessen und im Maschinenbau zum Einsatz.