Spannungen in der Klebfuge nach der Klebstoffhärtung – Ursache und Wirkung
Die häufigsten Ursachen für Spannungen in Klebfugen während der Klebstoffhärtung sind die härtungsbedingte Volumenabnahme des Klebstoffes und unterschiedliche thermische Ausdehnungen von Klebstoff und Fügeteilen oder zwei verschiedenen Fügeteilen. Bei der Auslegung von Klebungen ist die Frage nach der Volumenabnahme, auch Härtungsschrumpf genannt, zentral. Es ist wichtig, den Materialwert zu bestimmen und zu verstehen, wie viel Volumenabnahme tatsächlich Spannungen verursacht.
Spannungsaufbau während der Klebstoffhärtung
Die Volumenabnahme des Klebstoffs während der Härtung erfolgt linear mit dem Umsatz der Härtungsreaktion. Daher ist die Volumenabnahme zu Beginn der Reaktion am größten, klingt dann ab und nähert sich asymptotisch einem Wert an.
Der Gelpunkt
Im nicht-ausgehärteten Zustand ist der Klebstoff eine viskoelastische Flüssigkeit - die viskosen Eigenschaften überwiegen die Festkörpereigenschaften; der Verlustmodul ist größer als der Speichermodul. Wird auf eine solche Probe eine Kraft aufgebracht, so fließt der Klebstoff. Er ist nicht in der Lage, Spannungen aufzubauen bzw. nennenswerte Kräfte zu übertragen.
Das ändert sich am Gelpunkt. Die Probe hat nun so weit reagiert, dass ein lockeres räumliches Netzwerk entstanden ist, das die Probe durchzieht. Nach Durchschreiten des Gelpunktes ist der Speichermodul größer als der Verlustmodul. Die Festkörpereigenschaften dominieren nun die Probe. Wird auf einen viskoelastischen Festkörper eine Kraft aufgebracht, so wird der Körper deformiert. Eine Volumenäderung des Klebstoffes führt nun zu Spannungen.
Betrachtung des Relaxationsverhaltens
Eine weitere wichtige Eigenschaft viskoelastischer Festkörper, die bei den Überlegungen zu betrachten ist, ist die Relaxation. Durch Bewegungen auf molekularer Ebene sind viskoelastische Festkörper in der Lage aufgebrachte Spannungen abzubauen. Dieses Relaxationsvermögen ändert sich im Verlaufe der Aushärtung. Es nimmt mit zunehmender Netzwerkdichte ab.
Spannungen, die durch eine Volumenänderung während der Klebstoffhärtung auftreten können, werden durch das Relaxationsvermögen des Klebstoffes reduziert.
Induzierte Spannungen bei der thermischen Nachhärtung durch unterschiedliche thermische Ausdehnungskoeffizienten
Enthält die Klebstoffhärtung einen Temperschritt so kommt es aufgrund der unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Klebschicht und Fügeteil ebenfalls zu Spannungen in der Klebfuge. Dabei ist die Temperaturdifferenz zwischen Glasübergang und Raumtemperatur entscheidend, da oberhalb des Glasübergangs aufgrund des temperaturbedingt niedrigen Elastizitätsmoduls und der instantanen Spannungsrelaxation im Klebstoff praktisch keine Spannungen aufgebaut werden können.
Möglichkeit zur Bestimmung der Volumenänderung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Volumenänderung während der Klebstoffhärtung zu messen; beispielsweise kann ein Quecksilberdilatometer genutzt werden. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie groß der Anteil der Volumenänderung ist, der zu Spannungen in der Klebfuge führt.
Um diesen Anteil und die resultierende Spannung messen zu können, wurde der Schrumpfbiegeversuch entwickelt. Die Messung erfolgt indirekt über die Durchbiegung eines mit Klebstoff beschichteten Substrats und Anwendung der linearen Balkentheorie. Da nur dann eine Durchbiegung messbar ist, wenn der Klebstoff Kräfte übertragen kann, wird mit dieser Methode nur der spannungswirksame Schrumpfanteil erfasst.
Bei einer thermischen Härtung oder einer thermischen Nachhärtung lässt sich der Anteil des Schrumpfes, der auf unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten basiert, von der härtungsbedingten Volumenänderung separieren. Dabei kann sich herausstellen, dass die unterschiedliche Wärmedehnung den Hauptbeitrag zur Spannung liefert, während der Beitrag der härtungsbedingten Volumenänderung klein ist.
Die Frage nach der relevanten Volumenabnahme zur Spannungsbildung in Klebfugen ist komplex. Es führt nicht die gesamte Volumenänderung des Klebstoffes zu Spannungen in der Klebfuge. Zunächst ist der Klebstoff noch fließfähig und kann keine Kräfte übertragen. Werden Spannungen auf Basis der Volumenabnahme nach Durchlaufen des Gelpunktes berechnet, ergeben sich zu hohe Werte, da das Relaxationsvermögen des Klebstoffes nicht berücksichtigt ist. Der Schrumpfbiegeversuch ist ein effektives Mittel, um den Spannungsbeitrag der Volumenänderung zu bestimmen. Es zeigt sich, dass Spannungen beim Abkühlen nach der Härtung oft einen größeren Einfluss haben als die Spannungen, die während der Härtung entstehen.
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Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM