Strömungsoptimierte Beschichtungen

Mit strömungswiderstandsoptimierten Beschichtungen zu nachhaltiger Schiff- und Luftfahrt sowie effizienter Stromerzeugung

© Fraunhofer IFAM
Strömungswiderstand-reduzierende, mikrostrukturierte Lackoberfläche (»Riblet-Lack« bzw. »Haifischhaut-Lack«)

Strömungswiderstandsoptimierende Beschichtungen und Oberflächen, die von biologischen Vorbildern wie Delfinen, Haien und Pinguinen inspiriert sind, bieten zahlreiche Vorteile für die Windkraft, Luftfahrt und Schifffahrt. Innovative Technologien können dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch und somit auch die Emissionen von Schiffen und Flugzeugen zu reduzieren und den Wirkungsgrad von Zukunftstechnologien wie Windenergieanlagen zu erhöhen. Durch die Nutzung bionischer Vorbilder, wie den Sharkskin Riblets, dem Gefieder von Pinguinen oder der Haut von Delfinen können strömungswiderstandsreduzierende Beschichtungen eine Effizienzsteigerung und eine Senkung der Betriebskosten ermöglichen. 

 

Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung: Warum der Strömungswiderstand von Oberflächen reduziert werden muss

Der Strömungswiderstand ist eine physikalische Größe, die den Widerstand misst, den ein Objekt in einem Strömungsmedium wie Wasser oder Luft erfährt. Diese Grenzschicht bewegt sich entlang der Oberfläche des Körpers. Da sich die Grenzschicht in Bewegung befindet, wird eine Kraft auf den Körper ausgeübt, die der Bewegungsenergie entgegenwirkt.

Der Strömungswiderstand kann je nach Geschwindigkeit des Körpers und den Eigenschaften des Mediums, in dem er sich bewegt, unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Eine höhere Geschwindigkeit oder unterschiedliche Viskositäten sind maßgebliche Einflussgrößen. Der Strömungswiderstand verursacht Nachteile für die Effizienz von angetriebenen Objekten, die sich in Wasser oder Luft bewegen, da er einen höheren Energiebedarf, höhere Betriebskosten oder Leistungsverluste mit sich bringt.

Dies hat verschiedene Folgen, die je nach Anwendungsbereich unterschiedlich ausfallen können. Bei Flugzeugen zum Beispiel führt ein hoher Strömungswiderstand zu einem höheren Treibstoffverbrauch und somit höheren Betriebskosten. Bei Schiffen kann ein hoher Strömungswiderstand ebenfalls zu einem höheren Kraftstoffverbrauch, zu langsameren Geschwindigkeiten und zu einem höheren Ausstoß vom Treibhausgasen führen. In der Windenergieanlagenindustrie kann ein hoher Strömungswiderstand zu einem geringeren Energieertrag führen.

Ein Ansatz, um den Strömungswiderstand zu überwinden, ist die Verwendung von strömungsgünstigen Formen und Geometrien. Zudem gibt es Methoden wie beispielsweise aktive Strömungskontrolle, bei der Luft- oder Wassermassen gezielt manipuliert werden, um den Strömungswiderstand zu reduzieren. Auch die Reduktion von Wirbeln und Turbulenzen durch die gezielte Veränderung von Oberflächenstrukturen oder die gezielte Platzierung von Strömungsleitelementen kann dazu beitragen, den Strömungswiderstand zu verringern.

Ein erfolgsversprechender, branchenübergreifender Ansatz, auf den sich die Expert:innen des Fraunhofer IFAM spezialisiert haben, sind strömungswiderstandsoptimierende Beschichtungen.

Strömungswiderstandsoptimierende Beschichtungen sind ein wichtiger Bestandteil moderner Technologien wie Schiffbau, Windenergieanlagen und Flugzeugindustrie. Die Beschichtungen aus dem Fraunhofer IFAM basieren auf Technologien, die es ermöglichen, Oberflächen mit speziellen Eigenschaften auszustatten. Die meisten strömungswiderstandsoptimierenden Beschichtungen bestehen aus hydrophoben Materialien, die eine geringe Oberflächenspannung aufweisen. Dadurch können Luft- oder Wassermoleküle leichter über die Oberfläche gleiten, was zu einem reduzierten Strömungswiderstand führt. Sekundärfaktoren wie Korrosion, Verschleiß und Fouling, die sich gemeinhin aus den Anwendungsbereichen ergeben, fließen technologiebegleitend in die Entwicklungsarbeit beziehungsweise in die Produktlösungen mit ein.

 

Technologische Vorbilder: Wie die Natur zu neuen Beschichtungen inspiriert

Bionische Vorbilder wie Delfine, Pinguine und Haie sind aufgrund evolutiver Prozesse mit bemerkenswerten Anpassungen an die Strömungsbedingungen im Wasser ausgestattet. Sie dienen den Forschenden des Instituts als Vorbilder für die Entwicklung von strömungswiderstandsreduzierenden Beschichtungen.

So verfügt der Delfin über eine glatte und abgerundete Körperform, die den Strömungswiderstand minimiert und die Geschwindigkeit erhöht. Den maßgeblichen Effekt erzielen sie jedoch über ihre Haut. Die glatte Hautschicht besitzt eine darunter liegende dicke, nachgiebige Speckschicht (Blubber). Das Besondere am Delfin-Blubber ist, dass er als natürlicher Stoßdämpfer wirkt. Er besteht aus einem speziellen Gewebe mit sehr hoher Dichte und Elastizität, das den Druck bei hohen Geschwindigkeiten minimiert und Vibrationen absorbiert. In Kombination führt dies zu einer signifikanten Widerstandsminderung durch Erhaltung einer laminaren Strömung entlang der Oberfläche. 

Auch der Hai ist ein interessantes Vorbild für strömungswiderstandsreduzierende Beschichtungen. Seine Haut ist mit winzigen Schuppen, sogenannten Placoidschuppen, bedeckt, die wie Mikrostrukturen den Widerstand reduzieren und die Strömungseffizienz erhöhen können. Dieses Vorbild haben Wissenschaftler:innen des Fraunhofer IFAM bereits in mehreren Projekten eingehend untersucht und einen hohen technologischen Reifegrad erreichen können. Die sogenannten (Sharkskin)- Riblets sind eine Technologie, die sich die Mikrorillen -Oberflächenstruktur der Haifischhaut zu eigen macht und damit den Strömungswiderstand anwendungsbezogen um mehrere Prozent senken kann. 

Der Pinguin ist ein weiteres bionisches Vorbild, das eine spezielle Anpassung an die Strömungsbedingungen im Wasser aufweist. Sein Gefieder ist so konstruiert, dass es die Strömung in der Nähe des Körpers glättet und den Widerstand verringert. Hinzu kommen Mikro-Luftblasen, die bei kontinuierlichem Entweichen aus dem Gefieder eine wichtige Rolle beim strömungsoptimierten Schwimmen durch das Wasser spielen. Dieses »Luftschmiermittel« reduziert die Reibung zwischen dem Körper und dem Wasser und ermöglicht es dem Tier, schneller und effizienter zu schwimmen.

Insgesamt können bionische Vorbilder wie der Delfin, der Pinguin und der Hai wertvolle Inspirationen für die Entwicklung von strömungswiderstandsreduzierenden Beschichtungen liefern. Durch die Analyse der Anpassungen dieser Tiere an ihre Umgebung können Forscherinnen und Forscher neue Lösungsansätze für die Optimierung von Oberflächen gewinnen.

 

Von Grenzen zu Chancen: Forschung und Entwicklung für marktfähige Produktlösungen

Obwohl strömungsoptimierte Beschichtungen in der Lage sind, den Strömungswiderstand von Schiffen, Windenergieanlagen und Flugzeugen zu reduzieren und dadurch den Energieverbrauch zu senken, gibt es auch einige Herausforderungen bei ihrem Einsatz.

Eines der Probleme für maritime Anwendungen ist Biofouling, bei dem sich Algen, Muscheln und andere Organismen auf der Oberfläche ansiedeln und die Wirksamkeit der Beschichtung beeinträchtigen können. Biofouling kann den Strömungswiderstand erhöhen und somit den Effekt der strömungsoptimierten Beschichtung zunichtemachen. Daher müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das Wachstum von Organismen auf der Oberfläche zu verhindern. Das Fraunhofer IFAM forscht und entwickelt daher auch hier seit Jahren an synergistischen Produktlösungen für die maritime Industrie.

Ein weiteres Problem ist die Abrasion und Erosion der Beschichtung durch Kontakt mit Wasser, Eis, Sand oder anderen Partikeln. Eine Beschichtung, die für den Einsatz im Labor optimiert wurde, kann möglicherweise nicht den realen Bedingungen standhalten und verliert schnell ihre Wirksamkeit. Um das Problem der Abrasion und Erosion zu lösen, müssen die Beschichtungen speziell für die jeweilige Anwendung und Umgebung angepasst werden.

Zusätzlich gibt es auch Herausforderungen bei der Produktion, Applikation und Anwendung der Beschichtungen. Die Produktion und Applikation kann teuer und komplex sein und erfordert oft spezielle Ausrüstung und Fachkenntnisse. Die Beschichtungen müssen zudem regelmäßig überwacht und gewartet werden, um ihre Wirksamkeit aufrechtzuerhalten.

Trotz dieser Herausforderungen bieten strömungsoptimierte Beschichtungen jedoch ein großes Potenzial zur Verringerung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen im Transportwesen. Durch weitere Forschung und Entwicklung können diese Technologien weiter verbessert und optimiert werden, um ihre Effektivität und Haltbarkeit zu erhöhen und ihre Anwendung in der Industrie zu erleichtern.

 

Entwicklung der Beschichtungen unter realitätsnahen Bedingungen

Die Entwicklung von strömungsoptimierten Beschichtungen läuft entwicklungsbegleitend mit hydrodynamischen Versuchen an Schiffsmodellen in Schiffbauversuchsanstalten ab. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Materialwissenschaftler:innen  und Schiffbauingenieur:innen angestrebt, um die Beschichtungseigenschaften gezielt an die Anforderungen der Schifffahrt anzupassen. So kann die Wirksamkeit der Beschichtungen unter realitätsnahen Bedingungen getestet werden. Auf diese Weise können Schwachstellen erkannt und Verbesserungen vorgenommen werden Die Co-evolutive Entwicklung von strömungsoptimierten Beschichtungen und angepasstem Schiffsdesign bietet somit ein vielversprechendes Potenzial zur Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit der Schifffahrtsindustrie.

 

Die Entwicklung und Optimierung funktioneller Schichten stellen ein wesentliches Arbeitsfeld der Kernkompetenz Oberflächentechnik am Fraunhofer IFAM dar.