Linearachsen für Industrieroboter

Flexibles Anlagenkonzept für Produktionsprozesse von Großbauteilen

Effiziente und hochpräzise automatisierte Applikations- und Montageprozesse für den Flugzeugbau mittels Industrieroboter auf Linearachse.
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Effiziente und hochpräzise automatisierte Applikations- und Montageprozesse für den Flugzeugbau mittels Industrieroboter auf Linearachse.
Genauigkeitsuntersuchungen des Schlittens einer Linearachse mit montiertem Industrieroboter    . Links: Abweichung von Position und Orientierung des Linearachsschlitten über den Verfahrweg zum Sollwert. Rechts: Messaufbau bestehend aus Linearachse, Roboter, Lasertracker und Reflektoren auf dem Linearachsschlitten (P1, P2 und P3) zur messtechnischen Bestimmung der Abweichungen.
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Genauigkeitsuntersuchungen des Schlittens einer Linearachse mit montiertem Industrieroboter . Links: Abweichung von Position und Orientierung des Linearachsschlitten über den Verfahrweg zum Sollwert. Rechts: Messaufbau bestehend aus Linearachse, Roboter, Lasertracker und Reflektoren auf dem Linearachsschlitten (P1, P2 und P3) zur messtechnischen Bestimmung der Abweichungen.
Die Finite-Elemente-Simulation des Nachgiebigkeitsverhalten der Strukturkomponenten einer Linearachse zeigt, dass die Deformation des Linearachsschlittens bei einer wirkenden Kraft mit Hebelarm, beispielsweise durch den verschobenen Schwerpunkt eines auskragenden Knickarmroboters, zu einer Rotation um die Verfahrrichtung führt.
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Die Finite-Elemente-Simulation des Nachgiebigkeitsverhalten der Strukturkomponenten einer Linearachse zeigt, dass die Deformation des Linearachsschlittens bei einer wirkenden Kraft mit Hebelarm, beispielsweise durch den verschobenen Schwerpunkt eines auskragenden Knickarmroboters, zu einer Rotation um die Verfahrrichtung führt.

Industrieroboter (IR) mit seriellem kinematischem Aufbau ermöglichen in modernen Produktionsprozessen hohe Flexibilität bei gleichzeitig geringem Platzbedarf. Durch die Kombination dieser seriellen Kinematiken mit externen Linearachsen resultieren vielseitige und anpassungsfähige Maschinenkonzepte für die Fertigung, auch bei der Produktion großer Bauteile. Im Vergleich zu großen Portalanlagen und Sondermaschinen ergeben sich dadurch vielfältige Vorteile, bei geforderter höchster Präzision, z.B.:

  • hohe Flexibilität der Anlage durch die modular gestaltbare Linearachse
  • weniger Platzanspruch, aufgrund der geringeren Standfläche von Roboter und Linearachsschlitten
  • Erhöhung der Produktivität durch koordinierte Stationswechsel und Aufgabenteilung mithilfe mehrerer Industrieroboter auf einer Linearachse
  • Ausfallsicherheit, da einzelne Roboter unabhängig gewartet oder ausgetauscht werden können, ohne die Funktionalität der übrigen Roboter zu beeinträchtigen
  • geringeres Investitionsvolumen

Beim Fraunhofer IFAM in Stade kommen diese Anlagenkonzepte in unterschiedlichen Prozessschritten in der Fertigung von Großbauteilen zum Einsatz. Sie umfassen beispielsweise Prozesse der Bearbeitung, der Montage, des Fügens, der Applikation sowie der Messtechnik. Um die hohen Genauigkeitsanforderungen dieser Prozesse zu erfüllen, umfasst unsere Expertise hardware- und softwareseitige Entwicklungen zur Verbesserung der Eigenschaften des Anlagenkonzepts »Linearachse mit Industrieroboter«.
 

Kalibrierung geometrischer Fehler

Für die Kalibrierung der Linearachse wurden Verfahren entwickelt, um Abweichungen von linearen Modellen zu ermitteln und auszugleichen. Üblicherweise bieten herkömmliche Steuerungen die Möglichkeit der Beschreibung der externen Zusatzachse mit einem 3D-Vektor. Für die Erfassung weiterer Abweichungen können beispielsweise kubische B-Splines genutzt werden, um die Interpolation der gemessenen Abweichungen zum linearen Modell zu approximieren. Mittels dieser mathematischen Funktionen lassen sich unterschiedliche Kurven von Datenpunkten stetig und differenzierbar beschreiben. Dabei sind neben den Translationsabweichungen auch die Rotationsfehler zu berücksichtigen, die aufgrund der kinematisch bedingten Hebelarme am Roboter Werkzeugmittelpunkt (Tool Center Point; TCP) zu großen Abweichungen führen können. Mit der Anwendung von 3D-Koordinatenmesstechnik bietet das Fraunhofer IFAM in Stade die Möglichkeit einer messtechnischen Erfassung der Fehlergrößen an.

Die im Fraunhofer IFAM in Stade neuentwickelte flexible Fräskinematik mit Hybridantrieb auf einer Linearachse bearbeitet hochpräzise Großbauteile bis zu 8 Meter Länge im 1:1-Maßstab.
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Die im Fraunhofer IFAM in Stade neuentwickelte flexible Fräskinematik mit Hybridantrieb auf einer Linearachse bearbeitet hochpräzise Großbauteile bis zu 8 Meter Länge im 1:1-Maßstab.

Die entwickelten Kalibrierungsmethoden sind nicht nur auf externe Roboterachsen beschränkt, sondern auch für die Genauigkeitssteigerung von linearen Antriebsachsen in Werkzeugmaschinen und großen Sondermaschinen geeignet.

Hardware- und softwareseitige Optimierung der Linearachsen für den Anwendungsfall 

Im Rahmen weiterer Optimierungsmöglichkeiten von linearen Vorschubachsen wurden verschiedene Ansätze verfolgt, um die Leistungsfähigkeit und Genauigkeit der Linearachse zu steigern. 

  • Durch den Einsatz von zwei verspannten Ritzel-Zahnstangen-Antrieben können Umkehreffekte effektiv kompensiert werden, was zur Erhöhung der Antriebssteifigkeit des Linearachsschlittens beiträgt. Diese Maßnahme ist entscheidend für die Gewährleistung bahngenauer Roboterprozesse.
  • Mit der Integration abtriebsseitiger Sensorik verbessert sich die Absolutgenauigkeit der Gesamtanlage signifikant. Die Erfassung der Ist-Position auf der Lastseite ermöglicht die Kompensation von Fehlereinflüssen durch die Getriebeübersetzung.
  • Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Struktursteifigkeit der Linearachse. Aufgrund des seriellen Aufbaus von Industrierobotern entstehen große Hebelarme zwischen den Linearachsschlitten und dem Lastangriffspunkt. Diese Geometrie führt nicht nur zu einer erhöhten Anfälligkeit für Ungenauigkeiten, sondern auch zu wechselnden Momentenbelastungen, die durch die Schwerkrafteinflüsse entstehen. Eine entsprechend steife Ausgestaltung der Linearachse ist in der Lage, den Einfluss dieser Belastungen so weit zu minimieren, dass sie als vernachlässigbar betrachtet werden können.
  • Alternativ zur mechanischen Optimierung besteht die Möglichkeit, durch messtechnische Erfassung oder modellbasierte Kompensation die auftretenden Fehler zu analysieren und auszugleichen. Dabei lassen sich Fehlereinflüsse in Verfahrrichtung der Linearachse – beispielsweise Umkehreffekte, Übersetzungsfehler oder Haftreibeinflüsse – direkt durch die lineare Vorschubachse kompensieren. Fehlertypen, die sich in mehrere Raumrichtungen auswirken und zu Orientierungsänderungen des Linerachsschlittens führen, erfordern eine Kompensation durch den montierten Industrieroboter und sind Bestandteil der am Fraunhofer IFAM entwickelten Software »CaliRob«.
     

Bahngenaue Industrieroboter für Großbauteile durch externe Linearachse

Das Fraunhofer IFAM verfügt in diesem Bereich über umfangreiche Expertise, sowohl in der Entwicklung hochpräziser Linearachsen als auch in deren individuellen Kalibrierung, um Leistung und Genauigkeit der linearen Vorschubachse und damit des Gesamtsystems mit Industrierobotern zu maximieren. Darüber hinaus lässt sich eine Kalibrierung der Linearachse mit der Roboterkalibrierung verknüpfen, um ein ganzheitliches Systemverständnis und eine optimale Funktionalität zu gewährleisten. Ziel ist die signifikante Steigerung der Effizienz und Zuverlässigkeit der Systeme durch maßgeschneiderte Lösungen und fundierte Analysen. Dafür wurde am Fraunhofer IFAM in Stade die industriell nutzbare Software »CaliRob« entwickelt. Mithilfe modellbasierter Fehlerkompensation ist es möglich, bestehende Anlagen kostengünstig zu optimieren und deren Genauigkeit zu erhöhen.

Die Kombination aus mechanischen und softwaretechnischen Verbesserungen schafft eine solide Grundlage für die zuverlässige und präzise Bearbeitung großer Bauteile in industriellen Anwendungen, beispielsweise in der Produktion von Flugzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen, Nutzfahrzeugen sowie Windenergieanlagen.

Diese Methoden ermöglichen eine zusätzliche Steigerung der Genauigkeit und Robustheit des Systems, wodurch die Effizienz in der Bearbeitung großer Bauteile weiter erhöht wird. Im FuE-Projekt RoMaNi 2 ließen sich so Bahngenauigkeiten von 0,15 Millimeter für Großbauteile von bis zu 8 Meter erzielen.

Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
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